Sigtenhorst Meyer, B. v.d. (1888-1953)

Beschreibung
EVB 4406 Spielpartitur
Sigtenhorst Meyer, Berhard van den:
Drei ländliche Miniaturen (1927) - opus 24 für Oboe Solo
Bernhard van den Sigtenhorst Meyer (1888-1953)
Bernhard Meijer, der sich mit den Namen beider Eltern Van den Sigtenhorst Meyer nannte, war Sohn eines Amsterdamer Kaufmanns.
Er studierte am Amsterdamer Konservatorium bei J.B. de Pauw (Klavier), Julius Röntgen (Kammermusik) und Bernard Zweers (Komposition).
Er setzte seine Studien in Paris, Brüssel, München und Wien fort.
Seit 1918 war er als Musiklehrer in Den Haag tätig. Sein Lebensgefährte war der Künstler, Sänger, Maler und Dichter Rient van Santen (1882 - 1943), mit dem er zwischen 1916 und 1927 oft konzertierte.
Ihre Residenz in Den Haag verfügte über einen Konzertsaal, der als künstlerischer Treffpunkt einen guten Ruf hatte.
Van Santen, ein Sammler orientalischer Kunst und Antiquitäten, der Java und Japan bereist hatte, weckte Van den Sigtenhorsts Interesse an orientalischer Kultur, das sich in einer Reihe kontemplativer, impressionistisch gefärbter kurzer Klavierstücke und Lieder manifestierte.
1923 unternahmen beide eine Reise nach Niederländisch-Indien, die zwar als Konzerttournee nicht sehr erfolgreich war, Sigtenhorst jedoch eine erste direkte Erfahrung mit der buddhistischen Kultur ermöglichte.
In den folgenden Jahren verschwand der Orientalismus allerdings wieder aus seinem Werk.
Durch seine Studien der Polyphonie der Renaissance und des Frühbarock wurden kontrapunktische Elemente in seinen Kompositionen immer stärker.
Sein Interesse an der Musik Sweelincks führte zu den Monographien Jan P. Sweelinck en zijn instrumentale muziek (1934) und De vocale muziek van Jan P. Sweelinck (1948). Nach diesen gut aufgenommenen Veröffentlichungen wurde er mit der Weiterführung der Sweelinck-Ausgabe der Vereniging voor Nederlandse Muziekgeschiedenis (VNM) beauftragt, deren Vorstand er seit 1931 ist. Im selben Zeitraum komponierte er seine Komposition nach Texten des Dichters Jan Lukens aus dem 17. Jahrhundert für Solostimme und Chor mit Orgelbegleitung (Geestelijke liederen, 1924, 1929, 1932; Jesus en de Ziel’ (1938)).
Rient Santens Tod während der Zwangsevakuierung im Jahr 1943 war für Sigtenhorst Meyer ein traumatisches Ereignis und spiegelt sich in seinem Zweiten Streichquartett wider.
Van den Sigtenhorst Meyer führte fortan ein zurückgezogenes Leben.
Seine Haupteinnahmequelle waren Privatstunden und Vorträge. Trotzdem wurde seine Musik hoch geschätzt und er galt als einer der bedeutendsten Komponisten seiner Generation.
Besonders für uns Oboisten ist Van den Sigtenhorst Meyers Zusammenarbeit mit dem Gründer der Niederländischen Oboenschule, dem legendären Jaap Stotijn (1891 - 1970) und später auch mit dessen Sohn, dem Solooboisten des Concertgebouw-Orchesters Haakon Stotijn (1915 – 1964).
Jaap Stotijn war ein sehr charismatischer Musiker und prägte mehrere Generationen niederländischer Oboisten. Sein Klang war einzigartig, man kann ihn heute noch in Aufnahmen und Videos hören und bestaunen. Neben seinem einmaligen Talent war das besondere an seinem Klang, dass Stotijn auf französischen Instrumenten der Firma Lorée spielte, aber Rohre benutzte, die eher aus der deutschen Tradition für die deutsche romantische Oboe kamen.
Zu empfehlen ist dieses Video auf youtube: Jaap Stotijn met ook o a Han de Vries en Koen van Slochteren in muziek mosaique van Willem Duys
In diesem Video sieht man auch sehr gut wie Stotijns Rohre gebaut waren. Hierzu schrieb er selbst:
I make reeds somewhat wider and thicker than French reeds. As a consequence, I make the tubes and
both sides somewhat shorter – about 2 mm on the upper side and about 5 mm on the bottom.
Therefore, the diapason is higher and I do not have to strain, but can blow with a loose embouchure.
The shorter tube makes the tone clearer, and because of the wider and thicker reed, I get more "trilling"
and more ease in high and low tones. Because the reed is thicker, I also can put on the little copper
band, which is impossible for the French oboists. Consequently, the sides cannot slip over each other;
when the reed is opened up, I can close it more with the copper band, and conversely, when the reed is
closed I can open it up again. Another important matter is that I never have to strain because the little
band is doing part of the work that otherwise would be performed by the lips.
Für die Stotijns komponierte Van den Sigtenhorst Meyer:
- Liederen van de Nijl voor Sopraan en Hobo, opus 44 (1927), gewidmet Jaap Stotijn und dessen Ehefrau, der Sopranistin Geertruida Stotijn-Molenaar (1889 – 1954)
- Drie landelijke miniaturen, für Oboe Solo, opus 24 (1927), Jaap Stotijn gewidmet
- Sonatine für Oboe Solo, opus 34, (1930), Jaap Stotijn gewidmet
- Drie landelijke miniaturen, für Oboe Solo, opus 40 (1946), Haakon Stotijn gewidmet.
Die Lieder für Sopran und Oboe sind von ätherischer Schönheit, die ländlichen Miniaturen opus 24 erinnern stark an die Atmosphäre des Englischhornsolos aus R. Wagners Tristan und an den zweiten Satz aus Camille Saint-Saëns Oboensonate, die drei Sätze der Sonatine opus 34 wirken wie eine Erweiterung dieser Miniaturen.
Im Gegensatz dazu sind die ländlichen Miniaturen opus 40 wie mit einem depressiven Schleier belegt. Zwar nehmen auch sie zu Beginn die offene Quint, mit der opus 24 beginnt, Bezug auf das Tristan-Solo auf, doch schnell wird aus diesem reinen Intervall ein Tritonus, das Intervall des Teufels, und mit dem Insistieren im letzten Satz auf diesen Tritonus mischt sich in die ländliche Atmosphäre eine Bitternis, die sich aus Van den Sigtenhorst Meyer damaligen Lebensumständen erklärt.
Professor Fabian Menzel bin ich zu großem Dank verpflichtet, da er mich auf diese schönen Kompositionen aufmerksam gemacht hat. Von Prof. Menzel existieren auf youtube hervorragende Aufnahmen der hier neu verlegten Solowerke für Oboe..
Aachen im Oktober 2024,
St. Egeling